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Alexander-Technik

Autorin Petra Apfel

Focus Online 2011

Was Halle Berry und Leonardo DiCaprio zu besseren Schauspielern macht, befreit Normalbürger von Haltungsschäden. Kristof Konrad und Jean-Louis Rodrigue demonstrieren die Alexander-Technik.

So locker, wie die beiden Gäste aus Hollywood aufs Podium federn, sind sie die wandelnde Werbung für ihr Metier. Kristof Konrad und Jean-Louis Rodrigue lehren die Alexander-Technik. Moderatorin Maria Furtwängler-Burda hat die Körpertrainer aus Los Angeles auf einem Workshop für Schauspieler in Berlin kennengelernt, wie sie erzählt. Was sie an den Männern damals so faszinierte, demostrieren die Kalifornier zu Beginn ihres Vortrags: Sie nehmen verschiedene Körperhaltungen an, und jeder im Publikum sieht sofort, was daran nicht stimmt. Dabei sind es nur Kleinigkeiten, die zwischen unsicher, steif oder kraftlos und locker, entspannt und selbstbewusst unterscheiden. Den kleinen Unterschied vermittelt die Alexander-Technik. 


Die Alexander-Technik fordert nichts 

Im Gespräch vor ihrem Auftritt erklären die beiden Männer wie aus einem Mund, was sie für ihre Kunden oder Schüler erreichen wollen: „Die Alexander-Technik gibt nie vor, wie sich jemand bewegen sollte. Sie gibt Anregungen, wie jeder seinen eigenen Weg finden kann, sich in seinem Körper besser zu fühlen. Wir ermutigen zum Experimentieren.“ Es handle sich um eine neuromuskuläre Umerziehung.


Die Alexander-Technik gehört zu den ganzheitlichen Körperschulungen. Sie will Haltungsfehler und falsche Bewegungsmuster verändern. Eine aufrechte und zugleich entspannte Körperhaltung soll die Wirbelsäule entlasten, die Atmung verbessern und alle Bewegungen ebenso effektiv wie unangestrengt wirken lassen. Dadurch entsteht eine körperliche Präsenz, die vor allem Schauspieler, Tänzer und Musiker auf Bühne oder Leinwand transportieren wollen. Als zum Beispiel der Schauspieler Josh Brolin für den Film „W“ in die Rolle von George W. Bush schlüpfte, eignete er sich die Körperhaltung der Figur vom 20- bis zum 60-Jährigen mit Hilfe der Alexander-Technik an – und mit Hilfe von Jean-Louis Rodrigue. Der Körpertrainer erzählt nicht ohne Stolz, dass er zuletzt drei Monate mit Leonardo DiCaprio arbeitete für seine Rolle als FBI-Gründer J. Edgar Hoover.„Leonardo war anfangs derart verspannt“, schüttelt er immer noch den Kopf. 


Schmerzfrei durch entspannte Haltung 

Menschen, die weniger im Rampenlicht stehen, profitieren vom Training der idealen Körperhaltung vor allem gesundheitlich: Die Alexander-Technik verhindert oder lindert Rücken- und Kopfschmerzen, Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich und sie verbessert den Umgang mit Stress. Die Methode, die der australische Schauspieler und Shakespeare-Rezitator Frederick Matthias Alexander um das Jahr 1900 herum entwickelte und nach London und New York exportierte, zielt schließlich auf den Menschen als Ganzes, als untrennbare Einheit von Körper, Seele und Geist.

Eine Veröffentlichung im British Medical Journal bescheinigte 2008 der Alexander-Technik hohe Wirksamkeit gegen chronische Rückenschmerzen. In der kontrollierten Vergleichsstudie profitierten die Patienten am meisten, die das Körpertraining in 24 Stunden einübten. Statt vorher 21 Schmerztage im Monat hatten sie nur noch drei. Auch nach einem Jahr wirkte die verbesserte Haltung noch. Dieses Ergebnis erreichten weder Massagen, Physiotherapie oder eine Schmerzbehandlung für die insgesamt 579 Probanden. 


Gute Haltung, mehr Selbstbewusstsein

In den einzelnen Unterrichtsstunden passiert scheinbar wenig. Der Schüler sitzt, steht, geht und führt andere alltägliche Bewegungen aus. Der Lehrer kommentiert, korrigiert und verändert verbal und mit gezielten Berührungen. Im Zentrum steht die Haltung von Kopf, Hals und Rumpf, für die eine ideale Beziehung angestrebt wird. Die Alexander-Technik spricht von einem dynamischen Verhältnis. Diese Millimeterarbeit läuft langsam und ruhig ab. Ziel des Unterrichts ist es, dass der Schüler die Kontrolle und Korrektur über seine Haltungs- und Bewegungsmuster selbst übernimmt, die anfangs der Lehrer ausübt. Dafür ist es nötig, immer wieder innezuhalten und den Ist-Zustand dem erlernten Ideal anzupassen. Über den Weg der körperlichen Optimierung soll sich auch die psychische Haltung verbessern, vor allem beim Stressabbau.

Nach Angaben des Alexander-Technik-Verbands Deutschland (ATVD) dauern die Lektionen als Einzelunterricht oder in der Gruppe 30 bis 50 Minuten. Der Verband veranschlagt rund 30 Unterrichtseinheiten, nach denen der Schüler die Methode eigenständig im Alltag anwenden kann.

Die Methode, die die AOK laut Stuttgarter Nachrichten als „Element der persönlichen Lebensgestaltung“ bezeichnet, erkennen die Krankenkassen nicht als Therapie an. Sie ist darin mit Yoga oder Pilates vergleichbar. Für Schauspieler, Tänzer und Musiker, die intensiv und subtil mit dem Körper arbeiten, ist der Ansatz ebenso geeignet wie für Schwangere, die viel zusätzliches Gewicht und eine verlagerten Körperschwerpunkt meistern müssen. Die Alexander-Technik kann eine schmerzbedingte (falsche) Schonhaltung auflösen oder bessere Bewegungsabläufe nach einer orthopädischen Störung wie Tennisellbogen oder Mausarm antrainieren. Auch bei einer Essstörung kann die Methode helfen, indem sie zu einem veränderten Körperbild des Betroffenen beiträgt. 


Geschmeidigkeit als Unterrichtsziel

Kristof Konrad und Jean-Louis Rodrigue kümmern sich in verschiedenen Studios in erster Linie um die Künstlergemeinde von Los Angeles. Ganze Orchester, Theater-Ensembles oder die Artisten des Cirque de Soleil gehören zu ihren Klienten. Aber auch die Pianistin Martha Argerich lässt sich ihre Körperhaltung am Klavier von den Körpertrainern korrigieren. Nach einer Unterrichtsstunde sind alle Bewegungen „geschmeidiger, weicher, leichter“, schwärmen die Schüler. In München bestätigten das alle DLD-Besucherinnen, die in einem kleinen, spontanen Workshop in den Genuss einer persönlichen Einweisung in die Alexander-Technik kamen.

Focus Online: Text
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